Die deutschen Museen verloren 1937 die Mehrheit ihrer Kunst des frühen 20. Jahrhunderts durch die Beschlagnahme sogenannter „entarteter“ Kunst – über 20.000 Werke. Über 1000 Kunstwerke entwendeten die Nationalsozialisten der Kunstsammlungen der Stadt Düsseldorf (heute Museum Kunstpalast). In der Reihe „SPOT ON“ zeigt der Museum Kunstpalast vom 14. Juli 2017 bis Sommer 2018 einige dieser damals sogenannten „entarteten“ Werke.
Wie kam es zur „entarteten“ Kunst?
Als „entartete“ Kunst bezeichneten die Nationalsozialisten meist willkürlich jedwede Kunst, die ihnen „undeutsch“, antößig oder sonst irgendwie unbequem war. Einheitliche Kriterien zur Beschlagnahme? Fehlanzeige. Waren die Künstler Juden, war klar, woher der Wind wehte. Von diesen Abscheulichkeiten, wie sie es sahen, wollten sie die deutschen Museen säubern. Insgesamt dauerte die Aktion von 1933 bis 1945 an. Goebbels hatte die Beschlagnahme durch einen Führererlass durchgesetzt. Zu Beginn der Maßnahme tauschten einige Museumsdirektoren Kunstwerke freiwillig ein oder verkauften diese, um der Regierung gegenüber wohlwollend aufzutreten. Die entsprechenden Künstler mussten fliehen oder ihre Arbeit aufgeben und wurden so ihrer Existenzgrundlage entzogen. Teilweise wurden die Werke zerstört, teilweise ins Ausland verkauft, so z.B. durch sonderberechtigte Kunsthändler wie Bernhard A. Böhmer, Karl Buchholz, Hildebrand Gurlitt und Ferndinand Moeller.
Vorher fand noch eine Wanderausstellung namens „Entartete Kunst“ in 14 deutschen Städten von 1937 bis 41 statt, um die Werke zu diffamieren und öffentlich anzupragern, sowie das Bewusstsein dafür zu schärfen, was als „entartete“ Kunst galt. Zuerst war die Ausstellung in München in den Hofgartenarkaden zugegen, wo sie absichtlich der ersten „Großen deutschen Kunstausstellung“ im Haus der Kunst gegenübergestellt wurde. Wenn die Publikumszahl mit zwei Millionen nicht geschönt war, wäre es die meist besuchte Ausstellung aller Zeiten – noch erfolgreicher als eben die „Große deutsche Kunstausstellung“, die Kunst nach Geschmack der NS-Zeit präsentierte.
Die Schrift „Säuberung des Kunsttempels. Eine kunstpolitische Kampfschrift zur Gesundung deutscher Kunst im Geiste nordischer Art“, welche der Kunstideologe Wolfgang Willrich im Januar 1937 publizierte, bereitete den Boden für die Beschlagnahmen im Sommer desselben Jahres. Propagandaminister Joseph Goebbels wurde durch das Buch auf die Idee der späteren Ausstellung „Entartete Kunst“ gebracht, in der er die Bestände deutscher Museen ausstellen wollte.“ (Quelle: Booklet „SPOT ON: 1937. Die Aktion ‚Entartete Kunst‘ in Düsseldorf“, Seite 4, Herausgeber: Stiftung Museum Kunstpalast)
Welche sogenannte „entartete“ Kunst zeigt der Museum Kunstpalast?
Nur in Essen und Berlin wurden damals mehr Werke eingezogen, als in Düsseldorf. Da das Einziehungsgesetz, das „Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst“ von 1938 nach Kriegsende nicht durch die Alliierten oder die Bundesrepublik aufgehoben wurde, sind die Besitzerwechsel noch heute gesetzlich wirksam. Einige Beschlagnahmungen wurden allerdings zurückgegeben. Einige Grenzfälle wurden vom damaligen Reich an die Museen zurück gegeben. Zwei davon befinden sich in der Sammlung des Museum Kunstpalast. Dank einer Initiative und großzügigen Unterstützern konnte der Museum Kunstpalast nun einige der damals sogenannten „entarteten“ Werke mit neuen Erkenntnissen präsentieren, nachdem die Dokumente zur Beschlagnahme systematisch gesichtet worden sind.
Zurzeit gezeigt werden im Museum Kunstpalast u.a. die Gemälde „Vier Mädchen“(1912) von August Macke, „Bildnis Frau Johanna Ey“ (1921) von Otto Dix und „Pferdebändiger“ (1921) von Renée Sintensis. All diese Werke waren den Nationalsozialisten wohl zu abstrakt, unfertig, aus ihrer Sicht wider der „deutschen“ Natur. Andere Werke waren auch wegen gezeigter Nacktheit verpönt, es war unerhört, geschmacklos und anstößig in Augen der Beschlagnehmer. So zum Beispiel „Verwundete II (zwei Jünglinge) (vor 1919) von Wilhelm Lehmbruck, „Kriegsbeute“ (1911) von Lovis Corinth, „Drei Badende“ (1913) von Ernst Ludwig Kirchner, „Badende Frauen“ (1910) von Franz Marc und „Stillende Mutter“ (1902) von Paula Modersohn-Becker. In der kleinen Ausstellung „SPOT ON“ sind auch ein paar moderne Skulpturen zu sehen.
Zuzeiten der NS-Zeit war die Wanderausstellung „Entartete Kunst“ in Westdeutschland nur in Düsseldorf zu sehen, 1938 im Kunstpalast, 150.000 Besucher kamen.
Der Maler Benard Schultze rekapitulierte später: „Auch an die Klee-Wand erinnere ich mich recht gut, verschmiert war sie mit Zeichnungen von debilen Kindern und beklebt mit den allbekannten Slogans vom jüdisch-bolschewistischen Untermenschentum. Es waren SA-Männer, die hier und da, sicher auf Geheiß, die Bilder bespuckten.“ (Quelle: Booklet „SPOT ON: 1937. Die Aktion ‚Entartete Kunst‘ in Düsseldorf“, Seite 7)
Der Ausstellungsführer erläuterte die „entartete“ Kunst damals mit folgenden Themen:
Zersetzung des Form- und Farbempfindens, Hohn auf jede religiöse Vorstellung, Klassenkampf im Sinne des Bolschewismus, marxistische Propaganda für die Wehrpflichtverweigerung, Pornographie, Abtötung des Rassebewusstseins, kretinhafte Gesichter und Gestalten, jüdische Künstler, vollendeter Wahnsinn.“ (Quelle: Booklet „SPOT ON: 1937. Die Aktion ‚Entartete Kunst‘ in Düsseldorf“, Seite 7)
Die Lücken, die durch die Beschlagnahmungen in deutschen Museen entstanden, versuchten diese Institutionen meist wieder zu aufzufüllen. So können wir heute Werke, die damals nicht zerstört wurden, auf der ganzen Welt wieder betrachten, wenn sie nicht gerade nur in Privatbesitz erlebbar sind.
Die Reihe „SPOT ON“ beleuchtet seit zehn Jahren schlaglichtartig bestimmte Elemente des Museum Kunstpalast. Dazu erscheint stets ein Booklet zum Thema, aus welchem zur „entarteten“ Kunst hier auch zitiert wurde und welches ausschließlich im Museumsshop erhältlich ist (58 Seiten, 9.80 Euro).