Die Sonderausstellung „Tintoretto – A Star was Born“ (6. Oktober bis 28. Januar 2018) im Wallraf Richartz Museum Köln konzentriert sich auf die produktive und spannende Zeit des jungen Jacopo Tintoretto (*1518/19 Venedig bis Venedig 1594). Die Schau beleuchtet den Kontext des Malers in der Wasserstraßenstadt Venedig, seinem out-of-the-box Denken und damit einhergehender Innovationen, wie auch die Entstehung seiner Werke im Zusammenhang mit der alltäglichen, künstlerischen Praxis.
Venedig, Wien, London, Amsterdam, Washington, Rom, Budapest, Madrid und Mailand bemühte das Wallraf Richartz Museum in Köln ehrgeizig, um die kostbaren Werke Tintorettos in die Domstadt zu befördern. Der Maler, Sohn eines Färbers und damit gesellschaftlich in der Arbeiterkaste Venedigs beheimatet, hatte ebenfalls einen starken, inneren Motor: Er hatte gemalt und gemalt und gemalt. Dabei war ihm ein Blick auf den aktuellen Inhalt seines Portemonnaies nicht wichtig. Die Kunst und neue Inspirationen trieben ihn.
Was ist ein Kern der Ausstellung „Tintoretto – A star was born“?
Die Ausstellung versucht laut dem Kuratoren Dr. Roland Krischel zu zeigen, dass der junge Tintoretto seinen ganz eigenen Kopf hatte. Er habe seine bahnbrechenden Ideen durchzubringen versucht, quer durch die Stile. Deswegen seien Zuschreibungen zu bestimmten Kunstrichtungen nicht unbedingt sinnvoll und würden nicht helfen, ein valides Bild von Tintoretto zu skizzieren. Beispielweise habe er teilweise sehr schnell gemalt, manche bezeichnen entsprechende Werke als „schroff“. Tintoretto habe gewollt, dass die Regeln der Fresken auch für seine Leinwandmalerei gelten. Fresken seien damals in Tagewerken entstanden, da das Material des Malgrundes rasch trocknete. So habe diese Malweise Entschlussfreudigkeit, eine gewisse Intelligenz und Naturtalent erfordert. Diese Malweise spricht beispielhaft für die Innovationsfreude Tintorettos.
Neuigkeiten der Tintoretto-Forschung
Der Forschungsstand zum 400. Todestag Tintorettos 1994 ist überholt. Jetzt gibt es viele neue Ergebnisse, die Dr. Roland Krischel, zum Teil mit mutigen Thesen, in der Schau, im Ausstellungskatalog, gegenüber internationalen Forschungskollegen und Interessierten vertritt. In seinem Vortrag „Neues vom Rialto. Erste Ergebnisse der Ausstellung zum jungen Tintoretto“ erläuterte er, warum das faszinierende Gemälde „Liebeslabyrinth“ (siehe Artikelbild) aus der Sammlung der britischen Königin Tintoretto zuzuschreiben ist – und nicht etwa einem flämischen Maler. Auch die Ausstellung geht en detail auf dieses Werk ein.
Künsterlische Praxis zu Titorettos Zeit
Neuentdeckte Zurodnungen zu Tintoretto sind im Ausstellungs-Katalog zu finden. In der Vergangenheit gab es zahlreiche Fehlzuschreibungen. Einige Gemälde stammen laut Dr. Krischel zum Beispiel von der Hand seines früheren Kunstwerk-Partners und Subunternehmers Giovanni Galizzi. Der Umstand ist beispielhaft so zu erklären: 1545 malte Tintoretto sein erstes Portraitbild (Portrait des Nicolò Doria, eines jungen, wohlhabenden Mannes, im Standbild). Der Auftrag zum Bild sei laut Dr. Krischel eventuell von Tizian an seinen Subunternehmer Tintoretto weiter gegeben worden, denn Tizian habe bereits den Vater und sogar die Vorskizze angefertigt. „Die Beteiligung mehrerer Hände an einem Bild war nichts Ungewöhnliches.“, so Dr. Krischel. Kunsthistoriker würden ein Bild gern entweder dem einen oder dem anderen Künstler zuschreiben – das widerspreche aber der künstlerischen Praxis. Fluktuierende, freie Künstler habe es in einer Werkstatt gegeben, je nach Auftragslage. Künstlerkooperationen etc. seien alltäglich gewesen.
Die Portraitmalerei habe Tintoretto laut Dr. Krichel zudem soziale Kontakte sowie Anerkennung gegeben und sei ein guter Broterwerbsjob gewesen. Dem freien Geist Tintoretto sei das Portaitmalen laut Dr. Krischel sicherlich zuwider gewesen, da er dabei abhängig von den Launen und der Eitelkeit der Abzubildenenden gewesen sei und zudem wenig Freiheit in der Gesaltung genossen habe. Dennoch brachte Tintoretto einige psychologischen Beobachtungen mit ein – er konnte wohl einfach nicht anders. Damit habe er Dimensionen in die Portaits gebracht, die man sonst erst bei späteren Portaitmalern erstmals vermutet hätte.
Tintoretto – eine Koryphäe der Kunstwelt
Seine Heimat Venedig und die damit verbundene Lebenswelt gab Tintoretto eine Fülle an Ideen, die seiner Erzählkunst zuträglich waren. Jean-Paul Sartre bescheinigte ihm so den Ehrentitel des „ersten Filmregisseurs“. Religiöse, allegorische, erotische Gemälde, sowie Porträts des jungen Tintoretto sind in der Kölner Ausstellung erstmals gebündelt. Zeichnungen, Druckgraphiken und Skulpturen erweitern den Horizont seiner produzierten Kunst und spiegeln wider, wie der einstige moderne Künstler zu einer zeitlosen Koryphäe wurde.