Die Art Cologne, Messe für internationale Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts, war schon immer ein Schauplatz neuer Ideen und Impulse des Kunstszene. 2017 zeigt sie sich waghalsiger, als die Jahre zuvor – die heutige brisante Weltlage beflügelt Künstler scheinbar besonders zu Experimenten und Ausdrucksformen ihrer Weltsicht. Wie schaut die Welt aus, was fehlt ihr und wie soll sie sein? Die Themen Politik, Konsum, Gender, Gleichstellung, das Bild der Frau und des Mannes, die Psychologie des Schaffens und Seins, Freude und Trauer, sowie fernöstliche Ausdrucksformen finde ich auf der Art Cologne 2017 (25. bis 29. April).
Was ist neu?
Die Kunstmesse verbucht bei ihrer 51. Ausgabe einen erneuten Zugewinn an Internationalität. Die „Blue-Chip“-Galerien wie David Zwirner, Hauser & Wirth und erstmalig Gagosian reisen aus den USA an. Aus Hongkong kommt Pearl Lam, aus Los Angeles David Kordansky und aus London WHITE CUBE. Aber auch Galerien aus Frankreich, Dänemark, Finnland, Ungarn und zahlreichen weiteren Ländern sind vertreten. Bereits am ersten Tag sind diverse Werke verkauft. Die Tatsache, dass die Messe diesmal bereits Samstags schließt, lässt einige Galeristen witzelnd spekulieren, ob Stammbesucher mit online gekauften Tickets Sonntags verwundert vor verschlossenen Türen stehen werden. Da das Datum stehts angegeben ist, wird dies wohl nicht geschehen, dennoch hätte sich der ein oder andere Galerist wahrscheinlich ein einträgliches Sonntagsgeschäft gewünscht. Auf der Suche nach besonderen Werken, aber auch, um mir einen umfassenden Überblick zu schaffen, schlendere ich über die riesige Ausstellungsfläche mit rund 200 internationalen Galerien und Kunsthändlern.
„One World“ von Eckart Hahn
So finde ich eine Weltkarte aus Flammen. Der C-Print „One World“ (2016) von Eckart Hahn, prägt sich sehr gut ein. Diese Welt steht in Flammen, nicht durch Dürre, Hitze, oder wegen eines Asteroideneinschlags, sondern durch Einwirken und Unheil des Menschen, so wirkt es auf mich. Hahn lässt angesichts der globalen Krisen und Kriege solch eine unheilvolle Interpretation zu. Er war sich bei der Schaffung des Werks aber auch der antiken, vorsokratischen Naturphilosophie bewusst, die u.a. mit Heraklit das Feuer als Urprinzip der Welt ansah. Auch das Phoenix-Prinzip sieht Hahn als Möglichkeit: Die Reinigung nach dem Schrecken, geläutert neu Auferstehen, neu geschaffen, um Neues zu schaffen. So ist nicht nur die unheilvolle Vernichtung, sondern auch eine mögliche bessere Zukunft in Sicht – wenn denn der Mensch aus der Vergangenheit lernt, um neu auferstanden in einer neuen Welt Besseres zu schaffen. Dieser optimistische Twist gefällt.
Chung Kwan Young
Der Südkoreaner Chung Kwan Young hat das Werk „Aggregation“ erstellt, welches nicht nur wunderschön anzusehen ist, sondern auch als dreidimensionales Werk mit seiner Schaffensweise begeistert. Es scheint wie ein gelungenes Experiment. Aus koreanischem Maulbeeren-Papier formte der Künstler hunderte von Paperdreiecken, auf mit asiatischen Schriftzeichen bedrucktem Papier, eingefärbt in weiß, blau und lila Töne. Zusammengestezt wirkt das Werk wie ein sorgsam gestaltetes Fleckchen Garten aus bunten Kieselsteinen oder wie ein Sternhaufen in einer fernöstlichen Galaxie, die Ruhe, Frieden und Schönheit bringt.
Frauenbilder
Schönheit, Grazie, sowie eine Stärke des Willens und Geistes zeigen zahlreiche Frauenbilder von den unterschiedlichsten Künstlern auf der Art Cologne 2017. Ob Art Déco Grand Dame auf der Chaiselongue, fleckig gemalte Rubensschönheit, tatkräftig grinsende, wissenschaftlich bewanderte Lady der Fifties, erfahrene Milf mit Schlange auf dem Kopf, trotzig rauchende asiatische junge Frau in Prinzessinen-haften Gewändern, eine erhabene Tänzerin oder muskulöse Akte. Frauenbilder werden zu Hauf gezeigt auf der Art Cologne 2017. Die Frau dieser Welt schweigt nicht, sie ist präsent und das nicht nur zu Präsentationzwecken. Sie trotzt der rein schönen Darstellung und ist aktiv – gegen Formen, die sie unterdrücken und als unterlegenes, dekoratives und rein sexuell existierendes Geschlecht unterbuttern möchten.
Vielseitigkeit auf der Art Cologne 2017
Figuren, die aus dem zweidimensionalen Bild dreidimensional ausbrechen, um sich mit einem Selfie-Stick selbst festzuhalten, ein wetternder Trump, Transvestitenbilder, ein Partygummiboot mit ausgelaugtem Gummimenschen ohne Luft darauf, in schwarzem Wasser, welches mit düsteren Gedanken an Flüchtlingsboote denken lässt, ein pastellfarben gezeichnetes Aldi-Symbol, eine Ecke voller Spiegeleier, ein Faultier, aus Teppich gewebt, ein aus persischem Teppich gewebtes Sportfeld, Neonröhren, zu den Worten „You must gon on“ und „I can not go on“ geformt und ein bereits verkauftes Bild des Revoluzzer Che Guevara zeigen einen Mix aus Themen der heutigen Welt, die so vielseitig und ideenreich ausgearbeitet sind, dass ich mich freue, wie experimentierfreudig die neue Kunst und ihre Künstler sind. Ich hoffe, dies ist nicht nur eine durch Trump und Co. katalysierte Blase des Schaffens. So aussagekräftig und divers kann es gerne weiter gehen. Ich hoffe 2018 gehen noch mehr Künstler noch mehr aus sich heraus und teilen uns – frei und ohne Oppression – ihre Weltsicht und ihr Bewusstsein mit, auch um etwas zu Bewirken.