Haben Sie schon einmal einen Koffer gepackt? Ja? Dann stellen Sie sich jetzt vor, diesen packen Sie, um damit aus Ihrer Heimat zu flüchten. Vom 21. Januar bis 26. März 2017 versperrt eine zehn Meter lange, aus mehr als 150 Reisetaschen und Koffern bestehende »Koffermauer– Klagemauer« (1976/78) von Raffael Rheinsberg (1943–2016) Ausstellungs-Besuchern den Durchgang. Was haben diese Menschen erlebt? Die Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen in Baden-Württemberg zwischen Ludwigsburg und Heilbronn hat Geflüchtete gefragt und zeigt mit der Ausstellung „Was ich mit mir trage: Gepäckstücke und ihre Fluchtgeschichten“ die Komplexität der Flucht in einer Weise, die jeder in Ansätzen nachvollziehen kann, der einmal einen Koffer gepackt hat, egal, wofür.
Die Installation »Migration VII« (1999) von Sabine Braun (*1967) wiederum umfasst mehr als 60 geöffnete Koffer mit fotografischen Leuchtkästen, die Wasseroberflächen und Porträts von Migranten zeigen. Dabei geht die Galerie das Thema Flucht in verschiedenen historischen Dimensionen an. Da Flucht ein ebenso absolut aktuelles wie immer wiederkehrendes gesellschaftliches Phänomen darstellt, wurden verschiedene Personengruppen einbezogen: aktuelle Flüchtlinge ebenso wie aus der DDR geflohene und nach dem Zweiten Weltkrieg vertriebene Personen, die alle in Bietigheim-Bissingen leben.
2004 wurde das Wort Habseligleiten zum Wort des Jahres gekürt – der Deutsche Sprachrat und das Goethe-Institut hatten zu dem Wettbewerb aufgerufen. Das Wort drückt die Spannung zwischen dem irdischen Besitz und die im irdischen Leben unerreichbare Seligkeit aus. In der Ausstellung in Bietigheim-Bissingen hat das Wort Habseligkeiten eine zentrale Bedeutung. Was hatten die Geflüchteten mit aus ihrer Heimat gebracht? Was war für sie so unersätzlich wichtig, dass sie es mitnehmen wollten? Ein kleiner Junge sagte über seine Schlumpf-Plüschfigur: „Babasanfur (Schlumpf) ist Liebe.“ Was mussten sie zwangsläufig mitnehmen? All diese Habseligkeiten zeigt die Ausstellung „Was ich mit mir trage: Gepäckstücke und ihre Fluchtgeschichten“.