Ausstellungsreview „Gerhard Richter. Neue Bilder“

Gerhard Richter Abstraktes Bild (946-3), 2016 Öl auf Leinwand 175 x 250 cm © Gerhard Richter 2016 (221116)

Anlässlich des 85. Geburtstages von Gerhard Richter zeigt das Museum Ludwig in Köln noch nie veröffentlichte Bilder des teuersten, lebenden Künstlers (9. Februar – 1. Mai 2017). Kann man Realität überhaupt darstellen? Das ist eine Frage, die den Künstler zentral bewegt. Viele abstrakte, sehr leuchtend bunte Gemälde, die 2016 entstanden, sind in der Schau zu sehen. Zudem werden Klassiker aus Richters Schaffen präsentiert, auch figurative Werke, die sich bereits in der Sammlung Ludwig befanden.

Was gibt es zu sehen?

Geht man die Haupttreppe im Museum Ludwig herauf in den ersten Stock, so sieht man innerhalb der Schau zuerst ein informatives Video über die Ausstellung mit Rita Kersting, der Kuratorin, und Yilmaz Dziewior, dem Direktor des Ludwig. Einen Schwenk nach links und schon sieht man jede Menge abstrakte Gemälde. Bei diesen Bildern könnte ich es nachvollziehen, wenn Richter während des Schaffens Freude empfunden hätte. Nicht hauptsächlich wegen der so stark leuchtenden, bunten, meist fröhlichen Farben, sondern wegen der steten Variation – immer wieder muss er seine Werkzeuge neu angesetzt haben, mal hier etwas verändert, mal da etwas im Bild akzentuiert haben, bis er die Farbe vollends trocknen ließ. Pinsel, Messer, Rakel und Spachtel waren im Einsatz. Und bei einem einzigen Bild solchen Spaßes beließ er es nicht, sondern erstellte eine Reihe dieser abstrakten Bilder, mit immer neuen Farben, mal mehr rot und rosa, mal mehr blau und lila, mal mehr alles zusammen und dazwischen immer wieder gelb. Mal geht die Strichführung mehr horizontal, mal mehr vertikal oder wie ein Riss durch das Bild. Mal ist die Farbe dicker und wie ein Wirbel, etwas explosiver, mal mehr flächig und breit und gesetzter. Die Ölfarben gehen ineinander über, sind übereinander geschichtet. Mal schaut die eine Farbschicht hervor, mal verschmilzt eine noch nasse Farbschicht mit einer anderen Farbe zu etwas Neuem. Der Zufall und das Zufällige, so scheint mir, freudvolle Schaffen setzt mal dort im Bild an, mal kommt da ein anderer, bunter Strich hinzu. Spielerisch, freudvoll.

Auch wenn man weiter geht, und beispielsweise das Werk „Übersicht“, eine Tafel mit historischen Zeitsträngen und Namen aus Kunst, Literatur, Musik sieht, so kann ich mir hier auch vorstellen, wie es Gerhard Richter gefallen haben kann, die Tafel zu schaffen. Diese Übersicht, die er vielleicht selbst gern bei der einen oder anderen Gelegenheit wieder anschaut, ist also sicher nicht nur etwas für den potenziellen Betrachter. In der Ausstellung selbst habe ich mitgehört, wie ein betrachtendes Pärchen sich über die „Fünf Türen“ ausgetauscht hatte und staunte, man habe ja beinahe das Gefühl, man könne gleich durch gehen.

Wenn Richter 85 Jahre alt wird, schenkt er

Der Kölner Ehrenbürger Gerhard Richter schenkte vor seinem 85. Geburtstag dem Museum Ludwig Werke. Wieder wählte er das Ludwig für eine Schau aus. Nicht nur der Künstler genießt es, lediglich etwa 20 Minuten vom Museum entfernt zu wohnen. Auch der Direktor, Yilmaz Dziewior, betonte, man sei auch durch diese Ausstellung angespornt, die Beziehung des Hauses zu Richter und seinem Schaffen noch weiter zu vertiefen. Dabei sehe Dziewior den Künstler als Konzeptkünstler, im Gegensatz zu Dr. Julian Heynen (war z.B. künstlerischer Leiter der K21 Kunstsammlung NRW), der zwei Tage vor Ausstellungseröffnung im Ludwig den Vortrag „Unbegreifbar? Undarstellbar? Das „Birkenau“-Bild von Gerhard Richter“ hielt (Kulturklitsche berichtete). Auch hier war die Frage nach der Abbildbarkeit der Realität, wie in Richters ganzem Schaffen, von gewichtiger Bedeutung.

Video „Gerhard Richter. Neue Bilder. 09.02.2017 – 01.05.2017“, Quelle: Vimeo, Museum Ludwig