Noch nie wurden die Errungenschaften der antifaschistischen Künstlergruppe „Art et liberté“ ausgestellt. Das K20 in Düsseldorf präsentiert die Sonderausstellung mit dem Untertitel „Umbruch, Krieg und Surrealismus in Ägypten (1938 – 1948) bis zum 15. Oktober 2017. Die große Schau fungiert als Einleitung zur Ausstellung „Die exzentrische Moderne“ (ab 10. November 2018), welche moderne Kunstwerke zeigt, die von der traditionellen westlichen Kunstwelt bislang mehr als stiefmütterlich behandelt worden sind. Die westliche Kunstgeschichte öffnet sich somit neuen Horizonten.
Die Sonderausstellung führt durch das Thema mit zahlreichen, guten Erklärungen und den verschiedensten Exponaten aus zwölf Ländern, wie Zeitungsartikeln, Presseausweisen, Büchern, Fotos, vielen Gemälden und einigen Filmen. Unter anderem ist der antikapitalistische Film „Al-souq al-sawada“ von Kamel El-Telmisany zu sehen, der bis heute eine große Bedeutung in der arabischen Kinogeschichte des Realismus hat.
Entstehung und Programm der „Art et liberté“
„Art et liberté“ formierte sich 1938 in Kairo, in Zeiten, in denen der Faschismus seine zerstörerische Macht entfaltete. Kriegserlebnisse, Soldaten auf den Straßen und oppressive, rassistische Kulturgebote wurden Künstlern, Schriftstellern und Anwälten zuwider. Der Widerstand gegen den Faschismus, Nationalismus und Kolonalismus, sowie die Solidarität mit Künstlern der sogenannten entarteten Kunst brachten die Künstlergruppe zusammen. Sie forderten in ihrem Aufruf, der programmatisch Picassos „Guernica“ abbildet: „Lasst uns gemeinsam das Mittelalter besiegen, das im Herzen des Okzidents entsteht.“
Der in Kairo lebende Dichter und Literaturkritiker Georges Henein stoß das Manifest „Es lebe die Entartete Kunst“ der „Art et liberté“ an, welches werdende Mitglieder unterschrieben. Henein hatte als Diplomatensohn zahlreiche internationale Beziehungen, z.B. zu den Pariser Surrealisten um André Breton. So schuf die Gruppe in Kairo eine Kunst, die poetisch, provokativ und subversiv als anarchischer Surrealismus mit Hilfe einer Liaison aus Dichtung und Malerei für den Menschen in Freiheit und gegen politische Unterdrückung wirken wollte.
Fokus und Feminismus in „Art et liberté“
Bei einem Familienausflug in die Wüste starb der kleine Sohn der Künstlerin Amy Nimr, als er eine herumliegende Bombe in die Hand nahm. Danach fing Nimr an, düstere, surrealistische Todesbilder zu malen. Da die Gruppe viel von Frauen aus der höheren, ägyptischen Gesellschaft gefördert wurde, sind feministische Themen stark vertreten. Unzählige Kriegswitwen in Ägypten mussten sich der Prostitution hingeben – deren alltägliches Leid ist ein wiederkehrendes Motiv. Überhaupt sind Deformationen des unterdrückten Menschen bildlich immer wieder zu sehen. Auch die Fotografie machten sich die Künstler zu eigen. Gegen alle Widerstände und in Erwartung der Ablehnung durch konservative und rassistische Vereinigungen erschuf „Art et liberté“ Literatur und Malerei, die damals nur in linken Magazinen besprochen wurde.
Video: „99 SECONDS OF: Art et Liberté – Umbruch, Krieg und Surrealismus“, Quelle: Vimeo, Institut für Kunstdokumentation
Das K20 und „Art et liberté“
Nachdem die Avantgarde in Euopa der Opression ausgesetzt war, brachte die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen im K20 als kulturpolitisches Statement die damals verachtete Kunst in ihrer Sammlung zusammen. Künstler, die auch die Gruppe „Art et liberté“ geistig unterstützten, sind heute im K20 vorzufinden. Dies stellt die Auseinandersetzung des K20 mit der Künstlervereinigung aus Ägypten in einen folgerichtigen Kontext. Zudem ist in der heutigen Zeit des erneuten Rechtsrucks die Rückbesinnung der Kunst und Kultur auf Widerstand gegen die entsprechenden Mächte wertvoll.
Auf die kontextuell folgende Ausstellung „Die exzentrische Moderne“ (10. November 2018 – 10. März 2019), ein Projekt des „museum global“, welche auf Multi-Zentren bzw. Exzentren der Moderne verweist, darf man nun auch gespannt sein.