Das Wallraf-Richartz-Museum präsentierte Neuigkeiten zu seinem neuen, spannenden Nachbarn dem „MiQua, LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln“. In einem Vortrag am 9. Februar 2017 präsentierte Dr. Thomas Otten, Gründungsdirektor des Museums, den aktuellen Stand des Projektes und das Konzept des MiQua. Der Museumsdirektor des Wallraf, Dr. Marcus Dekiert, empfing das Publikum am Eingang zum Vortrag im Stiftersaal.
Ein spektakuläres Bauvorhaben in Köln – das weltliche Herzstück der Kölner Stadtgeschichte entsteht nach langem Hin und Her. Die Kölner sind auch schon gespannt: Über 700 Vorschläge aus der Bevölkerung seien laut Dr. Otten zum Namen des neuen Jüdischen Museums eingegangen. Letztendlich einigte man sich auf „MiQua – LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln“. Viel Wirbel gibt es auch um das neue Gebäude. Manche fürchten, es verbaue den Platz vor dem historischen Rathaus. Die Stadtbauansicht aus dem 19. Jahrhundert werde aber lediglich wieder hergestellt, denn der Rathausvorplatz sei früher auch bebaut gewesen, so Dr. Otten. Die neue Ansicht vor dem Rathaus ist im Titelbild dieses Artikels zu sehen. Die Portalsgasse, die auf die Rathauslaube führte, habe noch ein Portalstor gehabt – solch eines werde es aber nicht geben. Einen Weg namens Judengasse werde dagegen auch wieder erbaut, diese führte damals zum Stadthausplatz. Das renommierte Architekturbüro Wandel Lorch erhielt den Zuschlag für den künftigen Bau des Museums. Es sind die selben Architekten, wie beim Jüdischen Zentrum in München und der Bau mit seinen Pultdächern wird auch unverkennbar Ähnlichkeiten mit diesem haben.

Das Gebäude wird aus Naturstein bestehen. Die Fenster werden teils translucent, teils durchsichtig sein. Innen drin werden die Wände recht dunkel gestaltet werden, auch die Decke, und zwar damit der Augenmerk auf den Ausgrabungen liegt, nicht auf dem Gebäude selbst.
Die Anfänge der Grabungsstätte
130 Jahre Forschungsgeschichte kumuliere nun in der Archäologischen Zone / Jüdisches Museum. Die wichtigsten Anfangssignale habe Otto Doppelfeld gesetzt, so Dr. Otten, und er habe in nur wenigen Monaten eine immense Fläche ausgegraben. 1953 hatte der Archäologe das Praetorium, den römischen Stadthalterpalast, großflächig ausgegraben, und die Kölner Ratsvertreter davon überzeugt, die bedeutenden archäologischen Überreste für zukünftige Generationen mit einer Überdachung zu erhalten. 2007 hatte sich Köln dann letztendlich entschlossen, die historisch spektakulären Grabungen zum zukünftigen Museum auszuführen. In akribischer Kleinstarbeit befreien Archäologen aktuell die Bauten tief unter der Erde, sowie Funde, z.B. Schmuck und Spielzeuge, von Erde und Ablagerungen. Dabei sei es eine der schwierigsten Grabungsplätze Europas, so der vortragende Gründungsdirektor, denn der Bereich sei sehr dicht bebaut, so dass große Gerätschaften oder z.B. der Kampfmittelräumdienst nur schwer zur Grabungsstätte kommen können. Letztes Jahr habe es einen Bombenpfund vor dem Rathaus gegeben. Zum Glück entpuppte sich dieser als Blindgänger.
Das Bauprojekt, als Teil der Via Culturalis, soll die Zeitebenen und Zeitspuren von 2000 Jahren Stadt- und Kulturgeschichte nicht nur sichtbar, sondern auch begreifbar machen. Dazu soll in der Altstadt ein Kulturpfad bekannt gemacht werden, der vom Wahrzeichen der Stadt, dem Dom zu Köln, über das Kolumba Museum, den Rathausplatz und auch dem Wallraf-Richartz-Museum, bis zur Kirche Sankt Maria im Kapitol führe. Dabei werde das „MiQua – LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Klön“ eine wertvolle Rolle innerhalb dieses Kulturpfades einnehmen:
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10.000m² Museumsfläche
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7500m² Ausstellungsfläche
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1,6 km Rundgang
Von den gewaltigen Ruinen des römischen Stadthalterpalastes bis zu den sensiblen Resten eines der bedeutensten jüdischen Stadtquartiere Europas: Hier wird ein bedeutendes Stück Geschichte freigelegt und für jeden zugänglich gemacht – mit dem MiQua mitten in Köln.
2010 habe das Projekt Jüdisches Museum/ Archäologische Zone im Rahmen der „Regionale“ nochmals entscheidend Fahrt aufgenommen, so Dr. Otten. 1949 habe Adenauer mit dem Bekenntnis zur jüdischen Geschichte schon Grundsteine für solche Projekte gelegt, denn deswegen baue man jüdische Museen. 1963 sei die „Monumenta Judaica. 2000 Jahre Geschichte und Kultur der Juden am Rhein.“ wichtig gewesen, um Impulse zu setzen.
Was können wir vom MiQua erwarten?
Nun, 2017, werden auch die konkreter werdenden Ausstellungskonzepte des künftigen Bereichs präsentiert. Was wir gebaut? Was gezeigt? Was wird am Praetorium vermeintlich geändert? So werde das jüdische Viertel oder auch nur das bereits bestehende Prätorium einzeln als Abkürzung begehbar sein. Die Beleuchtung im Praetorium werde sich ändern. Es gab verschiedene Farbbeleuchtungen für verschiedene Bauabschnitte und Bauzeiten – so könne Geschichte eben auch verständlich präsentiert werden – aber diese Beleuchtung werde es nicht mehr geben. Wechselausstellungen zu verschiedenen Themen und zeitlichen Abschnitten seien dabei vorstellbar, grob umrissen so z.B. „Jüdische Geschichte & Kultur von Mittelalter bis zu Neuzeit“, „Köln, Rheinland und darüber hinaus“, „Kulturvergleiche“, etc. Zu den Überlegungen gehören noch, auf welcher Höhe man den Besuchersteg bauen sollte, denn die Mauern sind hoch. Was ist die beste Sicht? Das jüdische Mittelalter (11. bis 15. Jahrhundert), werde am meisten Raum der neuen Ausstellungsfläche einnehmen. Das Praetorium zeigt die Römerzeit (1. bis 5. Jahrhundert). Die Zeit des Frühmittelalters, am Praetorium, nehme dann nur wenig Platz ein (5. bis 10. Jahrhundert), das Goldschmiedeviertel (12. bis 15 Jahrhundert) im MiQua seie vis à vis zum Wallraf-Richartz-Museum gelegen und an der Ecke dazu werde sich noch die Ausstellungsfläche zum 16. bis 20 Jahrhundert finden.
Gitternetzfenster wurden zur natürlichen Beleuchtung der Architektur erdacht. Auf mich wirken diese Fensterentwürfe etwas beklemmend durch die Gitternetzstruktur. Vielleicht eine Absicht? Die Kölner Mikwe (Mitte 11. bis zur zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts) war das jüdische Ritualbad, welches man künftig innerhalb der neuen Ausstellung bewundern werden kann. Hier sollen die Juden ihren ganzen Körper unter Wasser halten, in einem Ritualbad, welches strömendes Grundwasser (oder Flusswasser oder Quellwasser) bietet. Deshalb liegt es hier so tief unter der Erde.
Leihgaben werden laut Dr. Otten nicht gezeigt werden, sondern nur das, was am Fundort gefunden wurde, da alles authentisch sein solle. Die Frauensynagoge habe Hörschlitze, es gäbe Funde, Anzeichen vor Ort dafür. Es gäbe auch einen Rekonstruktionsvorschlag für die Bima, den Platz in einer Synagoge, von dem aus die Tora während des Gottesdienstes verlesen wird. Es sei ein gotischer Bauteil, über dem Lesesaal.
In der neuen Zone könnten die Wände des Rundgangs für Vitrinen genutzte werden, um die Funde des Ortes zu zeigen, so der Gründungsdirektor. Hinweise auf verwaltungstechnische Vorgehen könne man z. B. durch die Funde ersehen. Geschichten wie Rechtstreitigkeiten unter Nahcbarn oder ganze Familiengeschichten könnten erzählt werden. Auf Bildschirmen könne man Filme oder sonstige mediale Unterstützung zeigen, entweder an den Wänden, oder an Wandsäulen. Mit Beleuchtungstexten, die an die historischen Mauern projiziert werden könnten, könne man relativ einfach und leicht auswechselbar Texte zur Ausstellung präsentieren.
2000 Jahre Stadtgeschichte – wie will man da Kontinuität zeigen? Dr. Otten sagt, man beschäftige sich viel mit dieser Frage. Man werde unter Wahrung der Denkmalarchitektur Räume gestalten, z.B. die Goldschmiede. Einen jüdischen Hochzeitsring, bzw. ein Fragment davon, könne man präsentieren. Im Publikum zum Vortrag wurde nach der Präsentation der NS-Zeit gefragt. Dr. Otten erwiderte, diese werde gezeigt, aber komplett anders als im EL-DE-Haus (welches NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln inne hat), um nicht zu doppeln. Man werde sich ganz offen als Schnittstelle zum EL-DE-Haus kommunizieren.
Video: „Von der Ausgrabung zum Museum: ARCHÄOLOGISCHE ZONE / JÜDISCHES MUSEUM KÖLN, Quelle: YouTube, ArchäologischeZone JüdischesMuseum
Dr. Otten betonte, man habe sich gefragt, wie könne man als Köln-Besucher vorgehen, wenn man die historischen Sehenswürdgkeiten und die Museen sehen wolle. Die Via Culturalis sei die Antwort. Auch verkehrstechnisch sei dies realisiert worden durch die U-Bahnstelle am Rathaus und die dazugehörigen Bauten – ohne diese hätte die Via Culturalis keine Chance gehabt, so gab Dr. Otten zu.
Nägel mit Köpfen
Im Herbst 2019 soll die „MiQua – LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln“ eröffnet werden und Dr. Otten wähnte dieses Ziel als realitisch. 67. Millionen Euro, mit Sicherheitsreserve, werde das Bauvorhaben kosten. Nicht Änderungen sollen den Preis ausmachen, wie z.B. den Umstand, das ursprünglich an zwei Seiten des Gebäudes eine Eingangstür erwägt wurde, diese aber nicht realisierbar sei, da diese nicht sicherbar wären und es die ganze Architektur geändert hätte. Auch wenn man sich den Haupteingang vis à vis zum Wallraf-Richartz-Museum gewünscht hätte. Die Nachbarschaftlichkeit sei aber heilbar, so der Vortragende. Nein, die so dicht bebaute Fläche um die Ausgrabungen herum würden die Vorhaben so schwierig und damit so teuer machen. Doch es werde sich lohnen. Die Einwohnerzahl der jüdischen Gemeinde, auf 1,3 Hektar, solle 12 bis 15000 betragen haben. Auch über diese Bewohner gibt es im „MiQua – LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln“ zukünftig viel zu erfahren – und damit auch über einen spannnenden Teil der Kölner Stadtgeschichte.