Noch lächelt Pinocchio

©Kulturklitsche.de: Der Helios-Turm in Köln-Ehrenfeld.

Das Helios Gelände in Köln-Ehrenfeld. Ich nähere mich der Baustelle neben Burger King. Seit Jahren sieht man die unbebaute Fläche umzäunt von Werbeflächen und Metallgittern. Bagger und Sandberge ragen über den Zaun heraus. Der denkmalgeschützte Helios Turm, Leuchtturm und Wahrzeichen von Ehrenfeld, überblickt, nicht sofort sichtbar, von rechts sein zu Hause. Was er heute wohl darüber denkt? Der in Rente gegangene Turm war im 19. Jahrhundert stolzer Versuchs- und Vorführturm seines Arbeitgebers, dem Elektronikunternehmen Helios AG.

Geschäft Parma Delikatessen in Köln-Ehrenfeld. Quelle: Kulturklitsche.de
Geschäft Parma Delikatessen in Köln-Ehrenfeld. Quelle: Kulturklitsche.de

Einmal am Heliosgelände entlang spaziert, vorbei am Underground, dem bunt besprühten Party – und Konzertveranstalter. Im Biergarten sind die bunten Lichter noch grau, es ist zu früh am Tag.

Um die Ecke erreicht man in einem Hinterhof den italienischen Supermarkt „Parma Delikatessen“. Den Leuchtturm über den alten Fabrikhallen kann man hier gut sehen. Ein buntes Pinocchioschild wirbt für das Familienunternehmen. Vor dem etwas in die Jahre gekommenen Ladeneingang stehen bunt bemalte Schilder mit Angeboten. Plastikstühle stehen zusammen geräumt. Schnell rein, es ist kalt.

Drinnen ist es schummrig und erstmal nur leicht wärmer, die Kühlschränke brummen. Leise läuft poppige Radiomusik dagegen an. Lange Regalreihen in der hohen Markthalle bergen zahlreiche Delikatessen. Was es hier alles gibt! Italienische Weihnachtsplätzchen, Amarettokekse, Pesto, eingelegtes Gemüse, Espressotassen, Kaffee und Weine, kistenweise Weine. Eigentlich riecht man das Essen gar nicht, alles ist verpackt, die Luft vom kalten Winter geprägt. Die Nase vielleicht zu verfroren, um etwas zu riechen. Käse- und Nudelspezialitäten liegen in den Kühltruhen bereit. Sie könnten glatt von Mammamia erst Tage zuvor zubereitet worden sein, um im kalten Deutschland italiensüchtige Mägen zu füllen. Adrett in weiß gekleidete Damen stehen hinter den Frischetheken. Nichts ist perfekt ausgeleuchtet, gespiegelt oder gestriegelt. Man fühlt sich etwas versetzt in eine andere Welt. Markthalle italiano.

An Delikatessen vorbei schlendern

Winterdunkel ist es, die weißen Glühlampen kommen nicht dagegen an. Die Menschen huschen in dicken Mänteln zwischen den Regalen hin und her, stöbern in aller Ruhe. Von Bebauungsplänen für das Gelände wissen sie nichts. Der Laden soll vielleicht weg? „Na, wollen wir es mal nicht hoffen!“ sagt die Mülheimerin Anfang dreißig, die vorsorglich mit Warenkorb ausgestattet ist. Zwei Mittzwanziger holen italienisches Bier, sind unschlüssig, ob man vielleicht noch was zusätzlich mitnehmen könnte. „Ich dachte die Papierfabrik auf der anderen Seite soll weg. Das hier auch? Keine Ahnung.“ Der langhaarige Blonde zuckt mit den Schultern.

Zurück zum Eingang. Dort hängen sie, die Zeitungsartikel der lokalen Presse, die kontrovers über den Bau einer geplanten Shopping Mall auf dem Heliosgelände berichten. Es geht um 20.000qm² Einkaufsfläche. Wegen Protesten der Kölner soll nun mehr Bürgerbeteiligung erfolgen, Ansprechpartner ist die Bürgerinitiative Helios. „Nichts genaues weiß man nicht“, sagt ein Mitarbeiter. „Die labern doch nur. Dauert sowieso noch zwei Jahre alles.“

Tacheles

Dann tritt Ulrich Pille, der Geschäftsführer aus seinem Büro, ein großer Mann mit kräftigem weißem Haar, der mit festem Blick über den Rand seiner Brille hervor guckt. „Meine Existenz steht auf dem Spiel. Und die meiner Kinder.“ Er reißt die Augen weit auf: “Ein Parkplatz soll genau hier hin, können sie sich das vorstellen? Statt meinem Geschäft ein Parkplatz!“. Er atmet tief aus.

„Haben Sie denn mittlerweile erfahren, ob die Halle nun wieder denkmalgeschützt werden kann?“ frage ich. „Sie war es mal, ja, aber die Decke musste erneuert werden, der Krieg und alles. Deswegen soll das nicht gehen. Man weiß angeblich nicht genau, wie alt das Gebäude ist. Aber der Deckenventilator ist von 1906, dann muss es ja mindestens so alt sein, nicht wahr? Bei den Rheinhallen hat das niemanden interessiert. Aber hier? Das wird alles von oben entschieden, was soll ich da machen?“ Wieder der Blick über seinen Brillenrand. Er hält inne. Lächelt. „Möchten Sie einen Espresso?“ Er besteht darauf, macht ihn gerne. Entspannt steht er hinter dem Tresen der kleinen Bar. Innenansicht Geschäft Parma Delikatessen in Köln-Ehrenfeld. Quelle: Kulturklitsche.de„Wie lange führen Sie den Laden schon?“ „20 Jahre. Und es war sehr viel Arbeit. Den alten Giebel finde ich besonders schön, haben Sie den gesehen?“
Zurück in den Verkaufsbereich. Die hohe Decke ist teilweise aus rotem und gelbem Wellblech, der Giebel scheint aus Stahl zu sein. Der Deckenventilator ist abgedeckt worden. Unter dem Dach bröckelt etwas Putz ab, fiel vorher nicht auf. Noch ein Blick auf die bunten Waren.
„Auf Wiedersehen.“