Pilgern ist nicht gleich religiös. Zu: „Pilgern – Sehnsucht nach Glück?“

Pilger am Kanyakumari-Tempel, Kap Komorin, Indien – das Key Visual zur Sonderausstellung „Pilgern – Sehnsucht nach Glück?“ Foto: Cornelia Mallebrein, 2006

Einmal um die Welt mit der Sonderausstellung im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln: „Pilgern – Sehnsucht nach Glück?“ Pilgern ist wieder modern. Aber was bedeutete pilgern damals und was heute? Das Rheinenergiestadion, der Kölner Karneval und die Gamescom als moderne Pilgerziele? Wohin, auf der ganzen Welt, pilgern Menschen heute und warum? Was z.B. suchen Anhänger von gleich vier Religionen in eisiger Höhe am Berg Kailash in Tibet? Was ist dabei wichtig für die verschiedenen Weltreligionen und Weltkulturen und wie kann es dabei zu Konflikten kommen – bis hin zu politischen Auseinandersetzungen? Die vielseitige, multimediale und interaktive Sonderausstellung mit Fotos, Videos, Interviews, Duftstationen, Infokarten, einem ergänzenden Audioguide zeigt beeinruckende Objekte, wie ein Sandmandala, welches von fünf tibetischen Mönchen speziell für die Ausstellung gefertigt wurde. Wer in diese Welt, die interkulturelles Verständnis fördert, eintauchen möchte, sollte sich beeilen, denn „Pilgern – Sehnsucht nach Glück?“ endet am 9. April 2017.

14 Pilgerstätten aus der ganzen Welt

Die Besucherinnen und Besucher sind eingeladen, in der Ausstellung 14 Orte zu entdecken und sich von ihrer Vielfalt inspirieren zu lassen. In opulenten, liebevollen Inszenierungen präsentieren sich berühmte, aber auch in Europa weniger bekannte Pilgerstätten.

– Santiago de Compostela, Spanien: Grab des Heiligen Jakobus (Christentum)
– Mexiko-Stadt, Mexiko: Basilika der Jungfrau von Guadalupe (Christentum)
– Lalibela, Äthiopien: Felsenkirchen (Christentum)
– Sinakara, Peru: Heiligtum des Señor de Quylluriti’i (Christentum und indigene Religion)
– Jerusalem, Israel: Westmauer – Grabeskirche – Felsendom (Judentum, Christentum, Islam)
– Mekka, Saudi-Arabien: Heilige Stätten (Islam)
– Kerbela, Irak: Schrein des Imams Hussein ibn Ali (Islam)
– Touba, Senegal: Mausoleum des Sheikh Amadou Bamba (Islam)
– Ajmer, Indien: Schrein des Sheikh Moinuddin Chishti (Islam und Hinduismus)
– Varanasi, Indien: Heilige Stadt (Hinduismus)
– Kailash, Tibet, VR China: Heiliger Berg für vier Religionen (Hinduismus, Buddhismus, Jainismus, indigene Religion)
– Shikoku, Japan: 88-Tempel-Weg (Buddhismus)
– Yangon, Myanmar: Shwedagon-Pagode (Buddhismus)
– Ra’iātea, Französisch-Polynesien: Zeremonialplatz Taputapuātea (indigene Religion)

Interaktive Stationen mit überraschenden Informationen laden zum Erleben mit allen Sinnen ein, so dass die Besucher einen Eindruck von den Stätte vor Ort erhalten können. Die folgenden Fotos zeigen nur einen sehr, sehr kleinen Ausschnitt der Sonderausstellung:

Was kann ich in „Pilgern – Sehnsucht nach Glück?“ alles erleben?

Bereits seit dem 8. Oktober 2016 hatte das Rautenstrauch-Joest-Museum die Sonderausstellung „Pilgern – Sehnsucht nach Glück?“ eröffnet. Ich bin froh, diese noch erlebt zu haben. Zum einen habe ich eine Menge über die Religionen und das Pilgern glelernt, auch viel über meine eigene Stadt Köln, sowie auch die wirtschaftlichen, politischen und kultrurellen Hintergründe des Pilgerns, wie z.B. beim Jainismus (Die Ausstellung zeigt hierzu Tibet, Indien), beim Sikhismus (Die Ausstellung zeigt hierzu Indien), beim Christentum (Die Ausstellung zeigt hierzu Äthiopien, Deutschland, Israel, Mexiko, Peru, Spanien) oder beim Islam (Die Ausstellung zeigt hierzu Indien, Irak, Israel, Saudi-Arabien, Senegal). Zum anderen machte es einfach Spaß, die zahlreichen kulturell interessanten Objekte anzuschauen und eine kleine Weltreise in 14 Stationen innerhalb der Sonderausstellung zu unternehmen. Dabei finde ich es immer spannend, wenn eine Ausstellung interaktiv funktioniert. Hier konnte ich an den Stationen stempeln und mich dabei wie ein Mini-Pilger fühlen, ich konnte mit einem Selbstauslöser ein Foto von mir vor einer extra dafür gestalteten Souvenirwand machen, ich hörte per Knopfdruck Interviews mit Pilgern und ich roch Düfte, welche vor Ort verströmt werden. Dazu konnte ich mir Souvenirs aus weit entfernten Ländern anschauen, sowie Videos von fernen Ländern und den Festen dort. Die Objekte reichten dabei von kleinen, typischen Opfergaben bis hin zu speziell für die Sonderausstellung nachgebaute, opulente goldene Schreine. Internationale Leihgaben aus Museen und Privatsammlungen sind hier zu finden. Die Kuratoren sind zudem gereist und haben kleine und große Kostbarkeiten vor Ort für „Pilgern – Sehnsucht nach Glück?“ kaufen können, so wie vor Ort Interviews geführt. All das ergänzt die Exponate und rundet diese Geschichte, die einmal rund um die Erde erzählt und gezeigt wird, ab. So erhalte ich einen wunderbaren Eindruck davon, wie es vor Ort aussieht und was bei der einzelnen Pilgerstätte kulturell wichtig ist.

Was sind moderne Pilgerziele, wie das Rheinenergiestadion?

Das Thema Pilgern ist wieder modern, ein Grund in Deutschland ist auch Hape Kerkelings Buch „Ich bin dann mal weg“. Er hatte sich auf den Jakobsweg begeben, so wie es nach ihm dann wieder viele Deutsche taten – er löste eine Pilgerwelle nach Santiago de Compstela aus. Religiöse Gründe für das Pilgern waren in der Geschichte der Menschheit zentral, weshalb das Pilgern noch heute von der Religion geprägt ist. Dennoch, so erzählt „Pilgern – Sehnsucht nach Glück?“, können andere Gründe ebenso ausschlaggebend sein. Beispielsweise begaben sich Menschen in den letzten Jahren auf den Jakobsweg, um sich eine Auszeit zu nehmen, um sich wieder auf sich zu besinnen, um mit anderen zusammen eine Erlebnisreise zu machen, oder aus sportlichen Gründen. Auf einem sehr großen Schaubild der ganzen Welt zeigt das Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln für die eigene Stadt folgende Pilgerziele auf: Den Dom, das Rheinenergiestadion, den Karneval und die Gamescom.

Näher geht die Ausstellung nicht auf diese modernen Pilgerziele ein, doch aus dem Kontext der Schau heraus verstehe ich es so: Pilgern kann man nicht nur im religiösen Sinne verstehen, denn für eine sogenannte Pilgerreise kann man verschiedene Beweggründe und persönlichen Ziele haben. Möchte ich mein persönliches Glück dadurch steigern, dass ich meinen Lieblingsverein im Rheinenergiestadion live – und ganz wichtig – vor Ort sehe und anfeuere? Oder möchte ich, zusammen mit anderen begeisterten Gamern, die neusten Games meiner Lieblingspublisher sehen und ausprobieren – an einem Ort, an dem die Gameswelt einmal im Jahr zusammen kommt und sich und ihre elektronischen Spiele feiert?

Jeder hat seine Leidenschaft, ob dies Jesus ist, der Karneval, Allah, oder eben ein Fußballverein. Seiner Leidenschaft vor Ort mit anderen frönen, dass möchten viele, die sich zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort versammeln, um zu feiern – ob in Mekka, Jerusalem oder beim Kölner Karneval. Dieses gemeinsame Erlebnis ist es, welches viele mit machen möchten – manche mindestens einmal im Leben, andere jedes Jahr. Auch beim Grab von Elvis Presley kommen Leute einer Leidenschaft zusammen, so wie auch im Louvre in Paris – es sind moderne Pilgerziele.

Video „Rautenstrauch-Joest-Museum mit Sonderausstellung „Pilgern – Sehnsucht nach Glück?““, Quelle: YouTube, report-K / Internetzeitung Köln

Die Sonderausstellung „Pilgern – Sehnsucht nach Glück?“ ist beeindruckend gestaltet und macht viel Spaß durch die tollen Objekte und das interaktive Mitmachen – ein Besuch ist definitiv lohnenswert. Besonders toll finde ich, dass die Ausstellung zum interkulturellen Verständnis beitragen kann, dabei kulturelle und religiöse Toleranz fördern kann und auch auf Gemeinsamkeiten hinweist. Nur beeilen muss man sich, denn der 9. April 2017 ist der letzte Ausstellungstag. Führungen gibt es auch – dabei sind Fragen, auch kritischer Natur, explizit erwünscht.

Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt

Cäcilienstraße 29-33
50667 Köln

Öffnungszeiten:

Di-So 10-18 Uhr
Do 10-20 Uhr
1. Do im Monat: 10-22 Uhr
(an Feiertagen 10-18 Uhr)
Mo geschlossen