From fuckin‘ Ehrenfeld

Martin Bechler, Fortuna Ehrenfeld, Album "Hey Sexy" 2017. Presse-Foto: copyright: haegele.com

Ich lese zufällig den Bandtitel Fortuna Ehrenfeld. Hey, klingt ja sexy. Als wohnhafte Köln-Ehrenfelderin will ich wissen, was das ist. Denke aber auch böse: Ziemlich kalkuliert. Liedermacher? Mag ich nicht immer. Gibt’s so furchtbar viele. Dann hör ich einfach mal rein. „Ich war der Zahnarzt von Darth Vader. Ich hatte immer gut zu tun.“ Erstmal muss ich lachen. Was dann kommt, ist eine schöne, ruhige, in sich fröhliche, melodiöse Liebeserklärung. „Und dann hab ich dich getroffen.“ Song „Nach Diktat verreist“. Irgendwie schafft es Fortuna Ehrenfeld trotzdem, nicht zu kitschig zu sein, gegen alle Vorurteile. Der Text fängt an mit: „Mein Lebenslauf ist schleierhaft. Der Rest bislang noch ungeklärt. Es ist ein kalkuliertes Risiko, das ich unter Menschen bin.“ Chillige Gitarrenklänge, aber auch Synthetisches, viel angenehm Melodiöses. Songs zum Party machen erwartet man da ja auch gar nicht.

Und dann

Dann kommen so viele eigensinnige Songtexte, Song nach Song, dass ich sagen muss – ist kein Einheitskartoffelbrei. Und ich mag ja expressionistische Verse. Und Überraschungen, mind-fuck, gute Textideen. „Kommt ein Schiff am Bahnhof an. Auf irgendeiner Landebahn.“ „Mal biste da, mal biste hier. Ich schreib jetzt wieder auf Papier, damit ich mich noch möglichst lang auf deine Antwort freuen kann. Wenn alles in dir links rum fährt, ist keiner da der dir’s erklärt. Ich bin jetzt mal ne Weile weg. Menschen haben kein Versteck.“ „Ich glaub an alles, was sich irgendwie bewegt.“ (Song „Zuweitwegmädchen“.) Kannst du dich erinnern, wie wir uns damals küssten? Erst gegen die Vernunft, dann gegen die Faschisten.“ „Kannst du dich erinnern, wie wir zusammen starben? Bei dreckiger Beleuchtung sieht man heute noch die Narben.“ „Fifty Shades of Toastbrot“ (Song „Gegen die Vernunft“). Dazu Lieder über die Politkverdrussenheit und Politikermüdigkeit auf Grund des ganzen miesen Rechtsrucks. Und Atheismus ist drin. So seh ich das. „Sag zu wem willste beten, zu wem willste gehen? Wenn die ganzen Geföhnten, so weit rechts von hier stehen? Und zu wem willste aufschaun, wenn da oben nix ist? Absolutely nothing unimpresses me like this.“ (Song „Das letzte Kommando“). Dazu repititive Klänge mit Obsession-Kritik und Coolness-Killer. Sonnenuntergangsmusik. „Ich hab mein ganzes verschissenes Leben dem Hiphop gewidmet.“ (Song „Ey Ändi!“)

Die Videos von „Fortuna Ehrenfeld“ schau ich mir an. Erst ein altes Video. „Matrosen“. Und werde nicht enttäuscht. Die fuck-off and hey-life Mucke zusammen mit den Bildern Ehrenfelds – mein Herz geht spontan auf. Meine täglichen Ecken. Der Bahnhof Ehrenfeld. Die Streetart an den Wänden: Edelweißpiraten-Blumen. Dann schau ich neue Videos. Selbst mein Fitness-Studio ist da. Und dann ganz persönliche Videos à la Zuhause mit der Perle im Bild gedreht. Martin Bechler wirkt dazu immer so entspannt, unaufgeregt, wahrhaftig und ernsthaft. Selbstironisch und mir-doch-egal. Verwurzelt mit seinem eigenen Grund und Boden und ausdrucksstark. Wie seine Texte.

Video: „Fortuna Ehrenfeld – Nach Diktat verreist. (Preview aus dem Album „Hey Sexy“)“, Quelle: YouTube, Grand Hotel van Cleef

Wie schön doch, so eine Zuckerinsel von um die Ecke zu finden. Mitglieder der Band sind allem voran Martin Bechler, dazu die Musiker Jenny Thiele und Paul Weißert. Die erste Single des neuen Albums „Hey Sexy“ (erschienen 18. August 2017 bei Grand Hotel van Cleef) heißt „Zuweitwegmädchen“. Apropos Fortuna – Martin Bechler ist laut Promo-Video auch wirklich Fußball-Fan.

Das Ganze ist nicht nur was für Köln-Ehrenfelder. Und gibt’s gerade auch auf Tour zu sehen. Termine via Facebook. Pressefoto Martin Bechler: Copyright: haegele.com.

Video: „Fortuna Ehrenfeld – Zuweitwegmädchen“, Quelle: YouTube, Grand Hotel van Cleef