Vielleicht hatte seine Mutter Recht. Und wieder Unrecht. Denn sie sagte „Du bist aus der Reihe geschlagen“ über ihren Sohn Theo und meinte damit, dass er nicht wie alle anderen sei. Aber sie sagte auch, dass aus ihm nichts werde, was sich heute weniger bewahrheitet. Theo Roos ist freiberuflicher Filmemacher u.a. beim WDR, ZDF, ARD, bei arte und 3-sat, er ist Musiker, Philosoph und seit 2004 auch Dozent an der Internationalen Filmhochschule Köln.
Roos, ein gebräunter Mann von 56 Jahren, welchem man sein Alter in seinem legeren weißen Hemd nicht unbedingt anmerkt, setzt sich auf einen Tisch und erzählt. Er sei aufgewachsen im Saarland, in einem Dorf in der Nähe von Homburg. Damals gehörte dieses Gebiet noch zu Frankreich. Sonntags ging er dort immer Filme schauen. Beeindruckt hatte ihn Albert Camus „Der Mythos von Sysiphos“, wodurch er frühe Berührungspunkte mit der Philosophie hat. Sein Staatsexamen macht er später auch in Philosophie und Germanistik, wobei er zusätzlich Sport studiert hatte. Dabei lernt er viel über verschiedene Menschen, denn Sportler mit ihren schicken Karren und großspurigen Gesprächen unter der Dusche seien ganz anders, als die Germanisten und Philosophen, die nicht so sehr unentwegt ihren Körper, sondern ihren Geist tätigen.
Eine Reise ins Glück
Sein Refrendariat bezeichnet Theo Roos als seine „härteste Zeit“. Ein Jahr arbeitet er an einer Schule. Die angebotene Festeinstellung nimmt er nicht an, denn die Band, in der er spielt, ist ihm wichtiger. Acht Jahre arbeitet er dann als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter an der Universität Bochum. Die Möglichkeit einer Festeinstellung schlägt er wiederum aus. Irgendwie scheint er nicht der Mann dafür zu sein.
Dann widerfährt ihm ein großes Glück, welches seine Zukunft prägen soll. Er wird gefragt, ob er nicht einen Film machen wolle und so entsteht Material für den WDR. Dadurch lernt er Menschen in Wien kennen, die an der Sendung „Aspekte“ beteiligt sind. Nochmals Glück, er darf der Redaktion einen eigenen Film zeigen. Zuerst nicht sonderlich begeistert über die Länge von 15 Minuten bei einer Vereinbarung von der Hälfte, zeigt sich die Redaktion erfreut über die Bilder, die sie dann sehen. „Nietzsche vibriert“ ist sein Ticket ins Fernsehen. Von da an dreht er Filme für das Öffentlich-Rechtliche. Die Kulturzeit-Reihe „Philosophische Vitamine“ ist ein Songformat, wie er sagt. Inspiriert von MTV macht er videoclipartige, kurze Portraits von Philosophen. Nietzsche ist bis heute sein Lieblingsphilosoph. Vielleicht fragt er sich wegen dem chronisch kranken Denker immer wieder, wenn er Philosophen vorstellen will: „Ist da etwas in Ihrem Körper, worüber sie schreiben?“.
Theo Roos über „Philosophische Vitamine“, Quelle: Vimeo, Institut Fuer Musik Und Medien
Roos kündigt an der Uni und will als freier Autor arbeiten, was er nun seit bereits 20 Jahren macht. Er bringt sich das Schneiden des Filmmaterials im Laufe der Zeit selber bei und spricht auch noch den Kommentar selbst, was ungewöhnlich ist. Aber man lässt ihn machen, denn er ist gut. Er findet, gerade dadurch, dass er alles selbst macht, bekomme die Sendung insgesamt einen eigenen, stimmigen Rhythmus. Es ist allein sein Rhythmus. Dadurch, dass er Autor, Kameramann und Cutter in einem ist, wird sein Schreiben sehr beeinflusst. Die amerikanische Methode ist: Erst Text schreiben, und dann cut setzen, je nach Bild. Er macht es umgekehrt. Die Liebe zur Musik gab ihm ein gutes Rhythmusgefühl, woraus eine ganz eigene Filmsprache entsteht. Theo Roos macht nicht einfach nur Sendungen, er erzählt Geschichten und das merkt man, wenn er Anekdoten erzählt. Nochmals Glück: Der Kölner Verlag Kiepenheuer & Witsch ruft ihn an, man ist auf ihn aufmerksam geworden und möchte zwei Bände mit dem Titel „Philosophische Vitamine“ heraus bringen.
Es folgt ein Ausflug ins Privatfernsehen. Die RTL Sendung „Notruf“ sucht bei ihm Hilfe für die Dramaturgie. Es geht gleich um 40 Folgen. Man fragt ihn einfach: „Willste Supervisor machen?“ Dies schlägt er nicht aus. Es bleibt bei einem Ausflug, doch auch dieser bringt wichtige Verbindungen.
Und jetzt?
Zur Zeit bastelt er eine Fortführung der Idee, die er mit „Kant reloaded“ schon verwirklicht hat. Helge Schneider soll den weltberühmten Musiker in „Haydn reloaded“ spielen. Dass hieraus ein Kinofilm resultieren könnte, ist für den Filmemacher nicht ausgeschlossen.
Theo Roos hat mittlerweile vier Kinder. Obwohl die Fernsehszene seiner Meinung nach ein „Haifischmarkt“ ist, Sendern heute weniger Geld zur Verfügung steht und es nicht einfach ist, weil jeder etwas machen will, bevorzugt er das Dasein als Freelancer. So könne er immer wieder auftanken, denn sonst sei man irgendwann leer und könne nichts mehr produzieren. Außerdem könne er sich so auch besser um seine Kinder kümmern. Vielleicht bietet man ihm eine Dozentur an der Internationalen Filmhochschule an, wo er gerade u.a. arbeitet. Auch diese würde er ablehnen.
Theo Roos videoclipartigen Filme polarisieren. Doch seine Eigenheiten werden gewürdigt. Schließlich ist es nichts Schlechtes, „aus der Reihe geschlagen“ zu sein.