Zum Vortrag „Otto Freundlich und die Novembergruppe“

Foto: ©www.kulturklitsche.de. Ausstellung "Otto Freundlich: Kosmischer Kommunismus", Museum Ludwig, Köln. Der Vortrag "Otto Freundlich und die Novembergruppe" fand im Museum Ludwig statt.

Anlässlich der Ausstellung „Otto Freundlich: Kosmischer Kommunismus“ im Museum Ludwig in Köln hielt Dr. Janina Nentwig im dortigen Kinosaal am 21. Februar 2017 einen Vortrag über den Künstler, der sich der Novembergruppe anschloss. Dr. Janina Nentwig arbeitet am Forschungsprojekt zur Novembergruppe an der Berlinischen Galerie. Diese Gruppe wurde 1918 während der Revolution in Deutschland von Malern, Bildhauern und Architekten als „Vereinigung der radikalen bildenden Künstler“ gegründet, mit dem Ziel, Volk und Kunst zu vermischen. Die Novembergruppe wollte die neue demokratische Gesellschaft nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs mitgestalten und die soziale Revolution in Deutschland vorantreiben. Warum wandte sich Freundlich, sogar als eines der Gründungsmitglieder, nach einem Jahr so entschieden von dieser Gruppe ab?

Otto Freundlich (* 10. Juli 1878 in Stolp, Pommern, Polen; † 9. März 1943 im KZ Lublin-Majdanek oder Sobibor, Polen), hatte unter seinen Werken Gemälde und Skulpturen, Fenster und Mosaike (dazu mehr im Kulturklitsche-Artikel „Ausstellungsreview: Otto Freundlich: Kosmischer Kosmmunismus“). Er lebte in Deutschland während der Novemberrevolution, die ihn stark beeindruckte. Wie das Internet-Portal „Westfälische Geschichte“ schreibt:

„Auslöser der revolutionären Ereignisse in Deutschland sind spontane Dienstverweigerungen von Matrosen der deutschen Hochseeflotte am 29.10.1918, weil diese sich nicht in einem sinnlosen und ohne Kenntnis der Reichsregierung geplanten Angriff auf die britische Flotte unmittelbar vor Kriegsende opfern lassen wollen. […] Für die Entwicklung in Westdeutschland ist entscheidend, dass sich die etwa 45.000 Mann starke Garnisonsbesatzung von Köln am 07.11.1918 größtenteils den Aufständischen anschließt. Von Köln verbreitet sich die Aufstandsbewegung sternförmig in die rheinischen und westfälischen Garnisonen.“ Quelle: www.lwl.org

Der SPD-Politiker Philipp Scheidemann hatte die Republik in Deutschland am 9. November 1918 vom Westbalkon des Reichtagsgebäudes in Berlin ausgerufen. Das erste Schreiben der Novembergruppe ist auf den 28. November 1918 datiert. Die Künstler dieser Gruppe wollten mit künstlerischen Mitteln agieren und protestieren, so trägt es Dr. Janina Nentwig im Museum Ludwig vor. Sie arbeiteten ohne die Unterstützung der Arbeiter und Soldaten, für die sie kämpften. Einige zurückgewiesene Künstler der Gruppe Secession Berlin „Neue Secession“ sollen sich der Novembergruppe angeschlossen haben, so die Vortragende. Das Ende der Gruppe, der Freundlich auch angehört hatte, sei damit der Anfang der Novembergruppe gewesen. Otto Freundlich war zuvor Mitorgansiator der ersten Dada-Ausstellung gewesen und überhaupt sehr aktiv. In der programmatischen literarischen und politischen Zeitschrift „Die Aktion“, welche dem Expressionsimus entscheidend zum Erfolg verholfen hatte, publizierte Otto Freundlich in einem Sonderheft. Auch in „Der rote Hahn“, ein Heft mit anarchistischen Tendenzen im Umkreis der „Aktion“ hatte er publiziert (Der Rote Hahn. Nummern 1 – 14/15, 1917-1918. Otto Freundlich: „Das Perpetuum-Mobile. Aktive Kunst“).

Video „Der Freundlich Kreis“, Quelle: YouTube, Tony Plaut

Es habe zu der Zeit einen Arbeitsrat für Kunst gegeben. Die Ziele seien, so Dr. Nentwig, aktuelle Entwicklungen in Architektur, Kultur und Kunst der Bevölkerung näher zu bringen. Damit war dieses Ziel der Novembergruppe gleich. Otto Freundlich habe darin eine Doppelmitgliedschaft gehabt. Ab dem 9. November 1918 bildeten sich viele Arbeiterparteien. Das sei Künstlern wie Max Pechstein und George Grosz nicht entgangen. Diese malten typische Expressionistenbilder für den Werbedienst der deutschen Republik zu der Zeit. Die SPD und USPD sollen damals den Hingang zu den noch linkeren Parteien verhindern wollen. Für diese habe z.B. Max Pechstein Plakate erstellt. Otto Freundlich habe aber noch linker, kommunistischer, radikaler gedacht. Derweil habe die Novembergruppe öffentliche Gelder erhalten wollen, um Einfluss zu nehmen auf die Kunstgesetzgebung, den Kunstunterricht und die Ausstellungsgestaltung.

Wie positionierte sich Otto Freundlich in diesem Umfeld?

Der Künstler hatte viele bekannte Freunde, so porträtierten ihn der Fotograf August Sander 1925 und Otto Dix hatte ihn 1923 gemalt. Freundlich sei an seine Freunde und Bekannten herangetreten und habe seinen Kosmischen Kommunismus propagiert. Er habe, laut Dr. Nentwig, eine Weltgemeinschaft der Künste gewollt, die Mitglieder der Novembergruppe sollten Lehrer einer neuen Welt sein, die antikapitalistisch sei und ohne Machtstruktuen funktioniere. Die Novembergruppe habe viele Künstler als Mitglieder akzeptiert, auch, um für sich selbst Werbung zu machen. So sollen sie Werke des Kubismus, Futurismus und Expressionismus ausgestellt haben, was von den Zeitungen kritisiert worden sei, da die Ausstellungen zu wenig Bezug zum aktuellen, revolutionären Vorgehen gehabt haben sollen. In der großen Berliner Kulturausstellung 1893, die nach dem Vorbild der Pariser Schauen konzipiert waren, habe es viel Zulauf gegeben. Diese sollen zu den besten Zeiten 100.000 Besucher verzeichnet haben. Es sei dort Kunst gewesen, die Kaiser Wilhelm gefallen habe, neue Kunst hatte dort wenig Chancen gehabt. Anders in den später folgenden Ausstellungen der Neuen Secession, in der auch Otto Freundlich ausstellte, so wie auch in den dann erwähnten Ausstellungen der Novembergruppe. Da die große Masse damals noch kein Verständnis für diese moderne Kunst gehabt habe, sei der Erfolg ausgeblieben – zu viele Rätsel habe die Kunst damals aufgegeben. Otto Freundlich habe z.B. eine große Plastik gezeigt, die die Leute als Gedärme ansahen – manche erheiterten sich daran, manche fanden diese Kunste eher verstörend, so Dr. Nentwig.

So sei es laut der Vortragenden gekommen, dass 1919, ein Jahr nach der Gründung der Novembergruppe, Otto Freundlich nicht mehr mit ausstellte. Ihm seien die Ausführungen der Novembergruppe zu gemäßigt gewesen – er wollte das Kunstleben eben noch linker und kommunistischer ausführen und propagieren. So sei er nach Köln gegangen, um sich den Dadaisten und Expressionisten anzuschließen. Es habe dort eine Arbeitsgruppe für Kunst gegeben. Diese aber habe Freundlich bald auch kritisiert, da sich die Gruppe über die Köpfe der Arbeiter hinweggesetzt habe, zu streberisch und zu merkantil agiert habe. Die Radikalität zu künstlerischen Ausdrucksformen sei Otto Freundlich auch hier nicht genug gewesen. Im Jahr 1919 sollen Künstler wie Marc Chagall in der Novembergruppe ausgestellt haben, Paul Klee sei auch als Beteiligter genannt worden.

1920 zeigte Otto Freundlich laut Dr. Nentwig Arbeiten bei einer Kunstausstellung zusammen mit Max Richter und Otto Möller. In diesem Jahr stellten George Braque und Fernand Léger in der Novembergruppe aus. Mittlerweile habe man 120 Werke in der Gruppe angesammelt. Otto Dix und Wilhelm Schmid, ein schweizer Maler, hatten sich der Neuen Sachlichkeit verschrieben. Dadaisten soll es derweil immer mehr gegeben haben in der Novembergruppe. Der Ausstellungsführer „Führer der Novembergruppe“ führte Texte ohne Autorschaft, was Otto Freundlich gefallen hätte, wenn er noch Mitglied gewesen wäre, so die Vortragende, da es unegoistischer sei, nicht so auf das Ego eines genannten Autors zentriert, sondern auf die Kunst selbst. Otto habe auch nicht auf merkantile Ziele gesetzt – er habe seine Kunst nicht geschaffen, um sie zu verkaufen. Und er war gegen jeglichen Individualismus, er wollte eher das Individuum auflösen (dazu mehr im Kulturklitsche-Artikel „Ausstellungsreview: Otto Freundlich: Kosmischer Kosmmunismus“). Nicht nur Freundlich aber habe die Novembergruppe kritisiert, auch die linke Presse habe gemeint, die Kunst der Novembergruppe sei nicht eindeutig genug.

1921 habe sich Raoul Hausmann, ein österreichisch-deutscher Künstler des Dadaismus, der Novembergruppe zugewandt, so die Vortragende. Es seien in der Zeit Zeitschriften wie „Der Kunsttopf“, „NG“ und „Das Zeichen“ entstanden. In der Novembergruppe sollen derweil immer mehr Richtungen präsentiert worden – Abstraktion, Kubismus, Dada, Expressionismus, Neue Sachlichkeit, Futurismus und Mischformen. Theo van Doesburg und Kasimir Malewitsch sollen auch dazu gehört haben. Die liberale Offenheit sollen diese Künstler der Novembergruppe geschätzt haben, denn das sei anders, als in den anderen Gruppen der Zeit. Durch diese internationalen Gäste, wie Piet Mondrian und eben Malewitsch, sei die Novembergruppe bereichert worden und sei dadurch populärer und mehr akzeptiert worden, so die Vortragende. So habe die Novemberrguppe 1928 ihr zehn jähriges Bestehen gefeiert. 1931 soll es dann eine Ausstellung der Novembergruppe im Verein Berliner Künstler gegeben haben.

Entartete Kunst?

Doch auch trotz des gesteigerten Erfolgs sei die Novembergruppe und der Kosmische Kommunismus Otto Freundlichs gescheitert, denn nach Hitlers Machtübernahme sei diese Kunst aus der öffentlichen Vereinsliste gestrichen worden. Entartete Kunst sei es gewesen, so die Nationalsozialisten – Kunst, die es als zu verschmähen galt. Auch Freundlichs „Großer Kopf“ war in der Ausstellung „Entartete Kunst“ zu sehen, diesen haben die Nazis sogar missbraucht, in dem sie ihn auf dem Cover des Ausstellungsführers abgedruckt hatten. Früher galt die Novembergruppe als zu wenig politisch, nun sei sie die Speerspitze des Kulturrevolutionismus geworden und sei „rote Novembergruppe“ genannt worden, so die Vortragende.

Video „Degenerate Art, Munich, 1937″, Quelle: YouTube, Ikonox Art

Otto Freundlich soll, so Dr. Nentwig, noch seinen programmatischen Text „Der Mensch“ in „NG“ und später in „Zehn Jahre Novembergruppe“ publiziert haben. Darin habe er seine Vorstellung der Einheit, ohne Nationen oder Grenzen, zu verstehen gegeben; der Kosmos stehe als einheitliche Kammer darüber. Die Idee des Kosmischen Kommunismus soll bei Freundlich in der Novemberrguppe angefangen haben. Eine Allvereinheitlichung, die Welt als eins, solle gelten. Den Kosmosgedanken sollen auch Walter Gropius oder Paul Klee verfolgt haben. Es sei eine Ideologie gewesen, die nicht wirtschaftlich ausgerichtet sei. Freundlich war über naturwissenschaftliche Vorgehen sehr früh informiert gewesen, da sein Cousin Mitarbeiter Albert Einsteins war. 1924 sei Otto Freundlich nach Paris gezogen, über die Kölner Progressiven soll er Kontakt zur Kölner Zeitschrift „A bis Z“ gehabt haben. Die Novembergruppe bliebe für ihn nicht links genug. Die Novembergruppe selbst soll sich als Avantgarde gesehen haben, die nicht konservativ sei, so Dr. Nentwig. Die Gruppe habe Kunst zeigen wollen, die ohne Dogmen und Doktrinen auskomme – auch wenn der Name der Gruppe bestimmte Gedanken im Hinblick auf die Novemberrevolution evoziere. Auch moderne Lyrik oder 12-Ton-Musik habe die Gruppe in Event-Abenden präsentiert, um so an ihren Zielen zu arbeiten. Die Novembergruppe habe sich, laut Dr. Nentwig, als Ausstellungsverein verstanden, der sich seiner Wirkung bewusst sei und der gesellschaftlich formen wollte.

Dies wollte auch Otto Freundlich, nur ging er gedanklich viel radikaler und weiter in seinem Kosmischen Kommunismus. Was das konkret für seine Kunstwerke bedeutete, ist nachzulesen und in einer Bilderstrecke zu sehen in dem Kulturklitsche-Artikel „Ausstellungsreview: Otto Freundlich: Kosmischer Kosmmunismus“. Die Ausstellung ist vom 18. Februar bis zum 14. Mai 2017 im Museum Ludwig in Köln zu sehen.