Zum Vortrag: „Unbegreifbar? Undarstellbar? Das „Birkenau“-Bild von Gerhard Richter“

Detail-Screenshot Video Museum Frieder Burda, Ausstellung "Gerhard Richter. Birkenau", Quelle: YouTube

Gerhard Richter beschäftigte sich mit der Darstellbarkeit des Holocaust. In diesen politisch so schwierigen Zeiten ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema wohl mehr als notwendig. Fand er im „Birkenau“-Bild eine Brücke zur malerischen Umsetzung oder ist er zwangsläufig daran gescheitert? Ein Vortrag am 7. Februar 2017 anlässlich der Ausstellung „Gerhard Richter. Neue Bilder“ (9. Februar – 1. Mai 2017) mit Dr. Julian Heynen im Museum Ludwig, Köln. Dr. Julian Heynen war u. a. Ausstellungsleiter der Kunstmuseen Krefeld und künstlerischer Leiter der K21 Kunstsammlung NRW.

Im Kinosaal des Museum Ludwig in Köln platzierten sich ca. 60 bis 70 Interessierte, um den Vortrag zum vierteiligen „Birkenau“-Werk Gerhard Richters (* 9. Februar 1932 in Dresden) zu hören. Der Künstler war Ende 2016 in die Kritik geraten, da er die Willkommenskultur der Flüchtlingspolitik als „verlogen“ bezeichnete (mehr dazu weiter unten). Dr. Julian Heynen führte in das Thema „Birkenau“ ein, in dem er über die Präsentation der Gruppe der vier großformatigen, abstrakten Bildern mit dem genauen Titel „Birkenau (937/1-4)“ im Albertinum Dresden (28. Februar – 27. September 2015), berichteet. Danach sei das Werk aus dem Jahr 2014, im The Withworth, Manchester (9. – 19. Juli 2015) zusammen mit musikalischen Kompositionen von Arvo Pärt gezeigt worden.

Letztes Jahr eröffnete dann das Museum Frieder Burda in Baden-Baden die Ausstellung „Gerhard Richter. Birkenau“ (6. Februar – 29. Mai 2016). Dort war erstmals der Bezug zum Holocaust zum Greifen nah – denn Bilder aus den Konzentrationslagern hängten gleich an der Wand nebenan. So habe Richter Darstellbares und Undarstellbares der abstrakten Bilder thematisiert, so Dr. Heynen. Einen philosophischen Wert habe diese Entscheidung der Hängung, dass sie aber einen künstlerischen Wert habe, so der Vortragende, wage er zu bezweifeln. Zur Hängung sagte er weiter: „Ich glaube es ist das Maximale, was er tun konnte. Er ist ja kein Konzeptkünstler, von Haus aus.“ Mit Blick auf die abstrakten Bilder allein, so Richter selbst, komme nicht man nicht auf das Thema der Shoa.

Video „Museum Frieder Burda, Ausstellung „Gerhard Richter. Birkenau“, 06.02.- 29.05.16″, Quelle: YouTube, Museum Frieder Burda

Richter hatte, bevor er die abstrakten Malereien des „Birkenau“-Bildes anfertigte, Fotos aus den KZs nachgezeichnet. Er brach dieses Vorhaben dann aber nach Überlegung ab. War ihm die Darstellung also doch zu explizit? Er übermalte eben diese Flächen daraufhin mit den abstrakten Motiven, die sich heute auf den vier „Birkenau“-Teilen befinden – darunter sind also noch die Zeichnungen nach Fotos aus den Konzentrationslagern. Richter habe die Bilder mehrfach ankündigen lassen und habe viel von der Entstehung der Bilder erzählt. Ist es der dringliche Wunsch um eine gelungene Darstellung bzw. Nicht-Darstellung des Holocaust, welche ihn antreibt? Oder spricht er so viel davon, gleichgültig eines Darstellungerfolges, sondern allein bemüht um mediale Aufmerksamkeit und letztlich des kommerziellen Erfolgs? Ist das der Motor bei jemanden, dessen Werke sich so teuer verkaufen, wie bei keinem anderen lebenden Künstler? Und dennoch – sind etwa die Stadien des Werks ein Kalkül? Als gut erzählbare Geschichte? Dr. Julian Heynen zweifelt nicht, wie andere, an der Ernsthaftigkeit Richters Unterfangen. Der Künstler habe schließlich seine Kindheit im Krieg verbracht und komme immer wieder auf diese Themen zurück, sie lassen ihn scheinbar nicht los.

Das Nicht-Malen

Dennoch, so merkt Dr. Heynen an, „Nicht-Malen ist auch ein Ausdruck der Trauer und der Verantwortung vor dem Thema“. Diese Möglichkeit habe Richter schließlich auch gehabt. Jüngere Künstler mit denen Dr. Heynen über das „Birkenau“-Bild sprach, sprachen laut ihm von einem Ausweichen des Künstlers vor dem Risiko des Abbildes konkreter Darstellung. Es seien neue Künstler, für die das Abbild- und Darstellungsverbot der westlich avancierten Künste der Nachkriegszeit nicht mehr gelte. Für diese sei Scheitern kein Fehler bei der Abbildung des Holocaust. Eben unter diesen neuen Künstlern habe einer über das „Birkenau“-Werk Richters gemeint, hier verlasse sich jemand allzu sehr auf die spätbürgerliche Darstellung vom Abstrakten – mit der gleichen Wirkung könne er einen verfaulten Apfel malen.

Gerhard Richter hatte fotografische Abbilder der vier „Birkenau“-Teile erstellt und diese in Baden-Baden gegenüber der vier abstrakten Gemälde hängen lassen. Die fotografischen Reproduktionen weisen einen stärkeren Farbkontrast auf, erscheinen Dr. Heynen „aggressiver“, aber auch „flacher“. Mit der Fotoversion sei man „noch weiter weg vom inhaltlichen Bezugspunkt“ zu Birkenau, so der Vortragende.

Dr. Heynen blieb unentschieden, ob das „Birkenau“-Bild gelungen oder misslungen sei. Er verwies auf eine Schrift Georges Didi-Hubermans, „Bilder trotz allem“, welche 2017 im Wilhelm Fink Verlag erschien. Der Autor setze sich mit der Frage nach der Undarstellbarkeit der Shoa auseinander. Dr. Heynen verstand es so, dass Didi-Huberman auszudrücken versuchte, er könne es nachvollziehen, dass Richter es immer weiter wollte, wünschte, dass er das Thema Holocaust gut rüberbringe. Für Dr. Heynen führen alle Antworten zur Frage der Darstellbarkeit in weitere Probleme, Aporien. Es seien Probleme im Spannungsfeld des Erleben und Nachvollziehen, so wie der Erfahrung und der Reflexion. Ist dies darstellbar? Für Dr. Heynen stellte sich die Frage – hilft das „Birkenau“-Bild? Vielleicht führe es dazu, über die Konsequenzen des Holocaust nachzudenken. Bücher Überlebender gäbe es auch und die Literatur habe als Medium hier mehr Möglichkeiten, so Dr. Heynen. Er warf die Frage auf, ob die Moderne in ihrer Entwicklung der Malerei eventuell nicht mehr fähig dazu sei, den Holocaust darzustellen. Dr. Julian Heynen schl0ß seinen Vortrag zum „Birkenau“-Bild mit der Einschätzung: „Auch wenn es misslungen sein sollte, seine Provokation ist wertvoll.“

Reaktionen auf Richter

Im Anschluss an den Vortrag ergaben sich Fragen, die darauf schließen ließen, dass sowohl Sympathisanten eines gelungenen Werks im Saal sitzen, als auch solche, die das „Birkenau“-Bild insgesamt für zu kalkuliert, zu konstruiert halten. Dr. Julian Heynen erwähnte, auch er sei auch gespannt, wie sich die Rezeption des „Birkenau“-Werks Gerhard Richters mit der Zeit entwickeln werde und welche Punkte in der Rückschau im Zentrum der Rezeption stehen werden.

Zusätzlich zur Rückschau des Vortrags sei hier ergänzt, inwiefern sich Gerhard Richter letztes Jahr über die Vorgehensweise der Flüchtlingskrise der Kanzlerin Merkel und des Bundespräsidenten Gauck geäußert hatte.

„Zum Beispiel die Parole von der Willkommenskultur, die wir eingeführt haben mit unserem Präsidenten. Die ist so verlogen“, sagte Richter im Interview des dänischen Louisiana-Museums nahe Kopenhagen. „Das ist unnatürlich.“

„Ich habe nie was gegen Ausländer gehabt, aber wenn mir gesagt wird, du musst jetzt alle willkommen heißen, dann ist das gelogen“, sagte Richter. Er lade nur Menschen zum Essen ein, die er kenne, egal, welcher Nationalität sie angehörten. Zu sagen „Wir schaffen das“, seien „keine Wörter“. – so Monopol am 15. November 2016.

Mit diesem Video des betreffenden Interviews können Sie sich selbst einen Eindruck verschaffen:

Video „Gerhard Richter Interview: In Art We Find Beauty and Comfort“, Quelle: YouTube, Louisiana Channel

Die Ausstellung „Gerhard Richter. Neue Bilder“ ist vom 9. Februar – 1. Mai 2017 anlässlich des 85. Geburtstages des Künstler im Museum Ludwig in Köln zu sehen. Kulturklitsche wird berichten.